Mit anderthalbmonatiger Verspätung haben Emilie und ich unseren Ausflug zum Einjährigen unternommen. Ich wusste nicht wo es hingeht und Emilie hat mir viele spannende Dinge gezeigt, die ich immer mal sehen wollte. Weil es jetzt doch so lang geworden ist geht es nach dem Link weiter…
Zuerst waren wir in Germigny-des-Prés, dem kleinen Ort von dem ich früher schon einmal berichtet hatte. Die ursprünglich als Basilika angelegte kleine Kirche aus dem 8 Jahrhundert wurde leider um ein Kirchenschiff erweitert, um die Einwohner des Ortes aufnehmen zu können. Dennoch ist der römische Eindruck in der Architektur immer noch sehr präsent. Das Mosaik hinter dem Altar ist einmalig in Frankreich. Ausserdem beachte man die Kronleuchter im Stil der 60er Jahre.





Unsere zweite Station war Sully-sur-Loire – hier sind wir einmal um das Schloss gezogen und habe eher zufällig das Centre Françoise Kuypers mit dieser riesigen sitzenden Statue davor gesehen. Die Stadt selbst ist offensichtlich im Krieg sehr stark worden, weswegen die Architektur der 60er Jahre dominiert. Die imposante Burg Schloss hat wie ein Wunder keinen Treffer abgekommen – die einzige Bombe ist direkt durch Kamin gekommen und dann glücklicherweise nicht explodiert.


Aber das ist noch kein Vergleich zu unserer nächsten Station: In Gien ist abgesehen von dem Schloss, das auch noch auf einem Hügel direkt an der Loire steht und ebenfalls fast keinen Schaden davon trug, gar nichts mehr stehen geblieben. Mit viel Backstein und Beton hat man in den 60er Jahren versucht auf den alten Strukturen die Altstadt wiederzuerrichten – mit mäßigem Erfolg. Leider war das Schloss (das östlichste richtige Schloss, dass man noch zu den „Schlössern der Loire“ zählt) gerade eingerüstet und nicht zu sehen. Eine spannendes Bauwerk gab es aber dennoch: Von Église Sainte-Jeanne-d’Arc scheint nur der Glockenturm den Krieg überstanden zu haben. Der Wiederaufbau aus Backstein erinnert mehr an eine Fabrikhalle als eine Kirche.



Umso beeindruckender unsere nächste Station: Emilie war überrascht, als ich ein paar Tage zuvor gesagt habe, ich will unbedingt mal nach Briare, um dort die Brücke des Kanal Canal de Briare über die Loire zu sehen. Neben diesem sehr kunstvollen Bauwerk (an dem auch Gustave Eiffel mitgewirkt hat) gibt es in dem Ort noch eine sehr schöne Kirche (L’église Saint-Étienne) und eine Kuriosität zu sehen: Hinter der Mosaik-Fabrik Emaux de Briare (die sich auf für die Mosiaks in der Pariser Metro verantwortlich zeichnet) liegen im anliegenden Wald tausende von Kachel-Scherben. Man kommt sich vor wie in einem Zauberwald. Das muss man gesehen haben!









Auf dem Weg zu unserem Quartier zwischen Briare und Bonny-sur-Loire sind wir dann einem weiteren Märchen begegnet: Zuerst gab es auf der Straße einen Abzweig zu „Les Loups“ (Die Wölfe). Als dann der nächste Abzweig „Le Berceau“ (die Kinderwiege) hieß, fragt ich „und wo wohnt jetzt die Großmutter?“ Sie ließ nicht lange auf sich warten. Nach wenigen hundert Metern folgt nämlich schon „Les jardins de la Loire – Residence personnes agees“ (Die Gärten der Loire – Residenz für alte Menschen).



Die Nacht haben wir in einem unheimlich kitschigen chambres d’hôtes auf Rosen gebettet auf dem Land verbracht. Unser Zimmer war über und über mit Rosen dekoriert, wohingegen der Salon, in dem wir unser Frühstück am nächsten Morgen zu uns nahmen das Thema Pferde und Pegasus hatte. Bei 50 hat Emilie aufgehört zu zählen. Aber unsere Gastgeberin war sehr freundlich und wohl gestärkt ging es am nächsten Tag weiter.
Emilie fragte mich, ob ich eine Vorstellung hätte, was wir noch sehen könnten und ich habe gemeint, ich wolle unbedingt mal zu dieser Burg die man mit der Originaltechnik des 20 Jahrhundert baut, aber ich dachte, sie wäre zu weit weg. Und siehe da, mit einem Mal standen wir vor eben dieser Burg Guédelon! Eine beeindruckende Konstruktion! Man ist jetzt mit der Hälfte fertig und bekommt schon einen sehr guten Eindruck. Und an diesem verlängerten Wochenende waren Himmel und Menschen da. Ich finde es spannend sich vorzustellen wie Leute gelebt haben, die nicht unser Wissen hatten, aber dafür andere Dinge wussten, die wir schon längst vergessen haben. Aus den Erkenntnissen bekommt man den Eindruck, dass diese nach so alten Methoden erbaute Burg viele Gebäude der Neuzeit überstehen könnte, da sie – bewusst oder unbewusst – unter Berücksichtigung von natürlichen Prozessen wie Tektonik und Korrosion gebaut wird. Unser Führer war total gerührt als er von den Filmaufnahmen sprach, die von dem Bau gemacht wurden. Er war nun schon seit 3 Jahren dabei und kann miterleben wie sich dieses Bauwerk langsam aber stetig entwickelt.

Eigentlich wollten wir noch weiter nach Osten, weil dort irgendwo eine uralte romanische Kirche steht, haben dann aber doch in Clamecy entschieden nicht weiter zu fahren. Dieser Ort (an dem ich keine Bilder gemacht habe, weil ich keine Lust mehr hatte), wirkte geradezu gespenstig. Nicht nur weil es Sonntag war, sondern auch weil sehr viele Häuser unbewohnt waren. Und dabei gab es hier noch so viel wertvolle Bausubstanz und einen sehr schönen, wenn auch etwas heruntergekommenen Altstadtkern und einen malerischen Fluss. An einer Ecke stand ein frisch renoviertes Haus im Zentrum mit 80m² für gerade mal 60.000€ zum Verkauf. Aber der Ort scheint zu abgelegen zu sein. Mit gemischten Gefühlen sind wir zurückgefahren. Mich würde interessieren, wie dieser Ort in 10 Jahren aussieht, ob er es schafft, mit seinen verwinkelten Gassen Gäste anzuziehen oder völlig verfällt. Emilie war nicht so optimistisch wie ich…
Mit den vielen wunderbaren Eindrücken sind wir wieder in Orleans angekommen und dann noch beim zurückgeben des Autos bei Sylvain hängen geblieben, wo wir noch bis kurz vor 2 Uhr Nachts Spiele gespielt haben, obwohl wir eigenlicht sofort ins Bett wollten.