Schon seit einiger Zeit ist mir diese lange Beton-Konstruktion parallel zur Bahnstrecke Paris-Orléans aufgefallen, die ich mir nicht erklären konnte. Ein Viadukt zur Felderbewässerung? Schwer vorstellbar. Die Landschaft ist absolut flach hier. Selbst auf Google Maps ist die Konstruktion parallel zur Bahnstrecke gut zu erkennen.
Nachdem ich vor kurzem wieder einmal vorbeigefahren bin und dieses Mal genauer auf die Dimensionen aufgepasst habe wollte ich es wissen. Und siehe da! Eine kurze Suche nach „Orléans“ und „Viaduct“ brachten mich zu diesem französischsprachigen Wikipedia-Artikel „Voie d’essai de l’aérotrain d’Orléans“. Von dort war es dann nicht mehr weit, das Geheimnis zu lüften: Bei der Konstruktion handelt es sich um eine Teststrecke für den Aerotrain (Wikipedia de/fr). Auf 18km Länge wurden hier ein bis zu 400km/h schnelle Fahrzeuge getestet und demonstriert, die durch eine Turbine betrieben wenige Zentimeter über der Betonkonstruktion geglitten sind. Das Projekt stand ganz im Zeichen der Zeit: Die Amerikaner haben gerade den Mond besucht, der Jumbo wurde entwickelt, Atomkraft setzte sich zur Stromerzeugung durch und in Frankreich wurden viele neue Hochgeschwindigkeits-Technologien getestet: Concorde, TGV und halt auch dieser Aerotrain.
Die neue Hochgeschwindigkeitstechnik schiene unbegrenzt. Die Fan-Webseite l’Aérotrain et les Naviplanes (unbedingt mal anschauen!) preist Geschwindigkeit, Komfort, Ökonomie, die Möglichkeiten einer 2-Minuten-Taktung und die gute Einbindung in die Landschaft an. Warum wurde dieses Projekt also nicht weiterverfolgt? Der deutsche Wikipedia-Artikel gibt Antwort: Wie man in dem Video nicht hört war der Zug laut und auch nicht sehr effizient. Auch wenn die Infrastruktur wahrscheinlich nicht so aufwendig ist wie bei dem deutschen Prestige- und Pleiteprojekt Transrapid ist die Inkompatibilität zum Schienen-System sicherlich auch ein finanzieller Faktor gewesen. Der Erfinder des Projektes verstarb nur 1 Jahr nach der Einstellung des Projekts.
Heute verkommt die Anlage und zuletzt musste 2007 ein Teilstück der neuen Autobahn weichen. Der Hangar auf der Plattform existiert nicht mehr und der 80-Personen Testzuge ist 1992 bei einem Anschlag zerstört worden. Schade, ich hätte diesen Zug gerne einmal ausprobiert. Aber wer weiß? Vielleicht bekommt Orleans ja doch irgendwann immerhin seine TGV-Anbindung, die die Fahrzeit von 65 auf 35-40 Minuten verkürzt und die kleine Stadt näher an Paris bringt als seine Flughäfen…